Unterschiedliche Praxisprojekte haben den
„Life Skills- Ansatz“, der ur-
sprünglich in den USA von Gilbert Botvin entwickelt wurde, aufgegriffen, ihn modifiziert und erweitert. Lebenskompetenzprogramme kommen ge-genwärtig in unterschiedlichen Präventionsbereichen wie Sucht, Gewalt, Suizid, frühzeitige Schwangerschaft etc. zum Einsatz. „Die Methoden zur Vermittlung von Lebenskompetenzen orientieren sich dabei in der Regel an Banduras Theorie des sozialen Lernens. Im Vorder-grund steht das Lernen anhand von eigenen Erfahrungen und der Beob-achtung von anderen. Um diese Lernprozesse zu unterstützen, werden die Kinder und Jugendlichen aktiv einbezogen. Typische Methoden sind Gruppenarbeiten, Rollenspiele, Diskussionen und Brainstorming.“, schreibt Peter Eberle, Leiter der Abteilung Schule Familie Kinder am In-stitut Suchtprävention, in seiner Masterthesis.
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Für die praktische Umsetzung in der Schule wurden in vielen Ländern Life-Skills-Programme entwickelt, die durch altersgemäße Auswahl der Inhalte und Übungen die Lehrkräfte bei der Umsetzung unterstützen. Diese Programme sind häufig in Form eines mehrjährigen Spiralcurricu-lums aufgebaut. Das bedeutet, dass die zu fördernden Kompetenzen immer wieder – aber thematisch und inhaltlich angepasst an die jeweilige Entwicklungsstufe der Jugendlichen – aufgegriffen werden.
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Lebenskompetenzprogramme führen nach Evaluationsergebnissen zu verbesserten Lehrer-Schüler Beziehungen. Dies wiederum erhöht die Wir-kung der Programme, da nach der psychologischen Interventionstheorie die Befriedigung des Bedürfnisses nach Bindung und Wohlergehen eine Voraussetzung dafür ist, dass sich persönliche und soziale Ressourcen aktualisieren und entwickeln lassen.
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Die Schule bietet als Umsetzungsort für Lebenskompetenzprogramm mehrere Vorteile:
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• Schule spielt eine zentrale Rolle bei der Sozialisierung von Kindern
und Jugendlichen.
• Über die Schule können fast alle Kinder und Jugendlichen erreicht
werden.
• In der Schule gibt es die Möglichkeit auf bereits pädagogisch ausgebil-
dete Lehrer/innen zurückzugreifen, wodurch der Schulungsaufwand für die Multipli kator/innen minimiert wird und eine besonders hochwertige Umsetzung zu erwarten ist.
• Über die Schule lassen sich auch die Eltern gut erreichen. • Die Schule bietet die Möglichkeit, durch relativ stabile Klassenverbände
das Lebenskompetenzprogramm über mehrere Jahre in Form eines Spiral curriculums anzubieten.
• Gleichzeitig bestehen in der Schule besonders gute Voraussetzungen
für Evaluierungsmöglichkeiten.
In der schulischen Suchtprävention haben sich aus den genannten Grün-den in den letzten zwei Jahrzehnten Programme, die dem Lebenskom-petenzansatz der WHO
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folgen, weitgehend etabliert. Im Rahmen der
Suchtvorbeugung enthalten sie sowohl substanzspezifische Elemente (z.B. Informationen über Substanzen) als auch substanzunspezifische Ele-mente (z.B. Umgang mit Stress und Belastungen). Dies trifft insbesondere auch auf die vom Institut Suchtprävention angebotenen Unterrichts-Pro-gramme
Eigenständig werden (Volksschule), plus (Sekundarstufe I),
Wetter-
fest (Sekundarstufe II, ab Herbst 2020)
oder
ready4life (Berufsschule) zu.
Der Erfolg der Programme, speziell im schulischen Bereich, ist jedoch immer stark an die Rahmenbedingungen gebunden. Das jeweilige Setting mit seinen Arbeitsbedingungen spielt eine wichtige Rolle. Voraussetzung für die Durchführung sind ein größtmögliches Maß an Vertrauen, ein po-sitives Klassenklima sowie ein grundsätzlich vertrauensvolles Verhältnis zwischen Schüler/innen und Lehrer/innen.
Günther Ganhör
Lebenskompetenzen | Life Skills
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 1994 zehn Fähigkeiten und Fertigkeiten definiert, die Kinder und Jugendliche befähigen, „effektiv mit altersadäquaten Herausforderungen und Aufgaben des täglichen Lebens umgehen zu können“. Diese Lebenskompetenzen stellen wichtige Schutz-faktoren für ein suchtfreies Leben dar:
Die SELBSTWAHRNEHMUNG bezieht sich auf das Erkennen unserer eigenen Person, unseres Charakters, unserer Stärken und Schwächen, Wünsche und Abneigungen. Die Entwicklung der Selbstwahrnehmung kann uns helfen, zu erkennen, wann wir gestresst sind oder unter Druck stehen. Oft ist sie auch für effektive Kommunikation und inter-personale Beziehungen sowie für die Entwicklung von Empathie Voraussetzung. EMPATHIE ist die Fähigkeit, sich in eine andere Person, auch in einer uns fremden Situa-tion, hineinzuversetzen. Empathie kann uns helfen, andere, die sich möglicherweise sehr von uns unterscheiden, zu verstehen und zu akzeptieren. Dies kann die soziale Inter-aktion zum Beispiel auch in Situationen ethnischer oder kultureller Verschiedenheit för-dern. Empathie kann ebenfalls helfen, fürsorgliches Verhalten gegenüber Menschen zu entwickeln, die hilfs- oder pflegebedürftig sind. KREATIVES DENKEN erleichtert sowohl die Fertigkeit, Entscheidungen zu treffen als auch das Problemlösen, da wir unser Handeln und Nicht- handeln auf die vorhandenen Alternativen und die verschiedenen Konsequenzen hin überdenken können. Es hilft uns, über unseren direkten Erfahrungshorizont hinauszuschauen. Auch wenn wir nicht vor einem Problem stehen oder eine Entscheidung treffen müssen, kann uns kreatives Den-ken helfen, Alltagssituationen angemessen und flexibel zu meistern. KRITISCHES DENKEN umfasst die Fertigkeiten, die man braucht, um Informationen und Erfahrungen objektiv zu analysieren. Kritisches Denken kann gesundheitsfördernd sein, da es uns hilft, die Einflussfaktoren auf unsere Einstellung und unser Verhalten (z.B. Wertvorstellungen, Gruppendruck, Medien) zu erkennen und einzuschätzen. Die Fertigkeit, ENTSCHEIDUNGEN ZU TREFFEN, hilft uns dabei, konstruktiv mit Entschei-dungen umzugehen, die unseren Alltag betreffen. Dies kann sich insofern auf die Ge-sundheit auswirken, als dass junge Menschen bewusst über ihre gesundheitsbezogenen Handlungen entscheiden, indem sie die unterschiedlichen Optionen bedenken und die Folgen verschiedener Entscheidungen mit in ihre Entscheidung einbeziehen. Die PROBLEMLÖSEFERTIGKEIT befähigt uns, Probleme in unserem Alltag konstruktiv anzugehen. Bedeutsame Probleme, die nicht gelöst werden, können psychischen Stress verursachen und körperliche Belastungen hervorrufen. (Mittels einer Problemlösestra-tegie aus vorgegebenen Schritten können Probleme systematisch angegangen werden.) EFFEKTIVE KOMMUNIKATIONSFERTIGKEIT heißt: Wir sind fähig, uns angepasst an die Kultur und Situation sowohl verbal als auch nonverbal auszudrücken; das heißt, wir sind in der Lage, Meinungen und Wünsche, aber auch Bedürfnisse und Ängste zu äußern. Ef-fektive Kommunikation beschreibt auch die Fertigkeit, in einer Notsituation um Rat und Hilfe zu bitten. Unter INTERPERSONALEN BEZIEHUNGSFERTIGKEITEN wird verstanden, dass man fähig ist, Freundschaften zu schließen und aufrechtzuerhalten. Dies kann sehr wichtig für unser psychisches und soziales Wohlbefinden sein. Gute Be-ziehungen zu Familienmitgliedern zu haben, die eine wichtige Quelle des sozialen Rück-halts sind, kann ebenfalls dazu gehören. Auch gehört die Fertigkeit dazu, Beziehungen konstruktiv zu beenden. GEFÜHLSBEWÄLTIGUNG umfasst das Bewusstwerden unserer eigenen Gefühle und denen anderer, das Erkennen, wie Gefühle Verhalten beeinflussen sowie die Fertigkeiten, angemessen mit Gefühlen umzugehen. Intensive Gefühle wie Wut oder Trauer können sich negativ auf unsere Gesundheit aus-wirken, wenn man nicht entsprechend auf sie reagiert. STRESSBEWÄLTIGUNG beinhaltet das Erkennen der Ursachen von Stress im Alltag und wie sich dieser auf uns auswirkt sowie das Beherrschen von Strategien, die helfen, das Stressniveau zu kontrollieren. Dies kann bedeuten, dass wir zum Beispiel die Einstellung zu unserem Körper oder unserem Lebensstil verändern, um die Ursachen des Stresses zu reduzieren.
WHO-Definition von Lebenskompetenzen, deutsche Fassung aus: BZGA, Gesundheitsförderung durch Lebenskompetenzprogramme in Deutschland, Köln, 2005
„Lebenskompetenzen sind diejenigen Fähigkeiten, die einen angemessenen Um- gang sowohl mit unseren Mitmenschen als auch mit Problemen und Stresssituationen im alltäglichen Leben ermöglichen. Solche Fähigkeiten sind bedeutsam für die Stärkung der psychosozialen Kompetenz.”
WHO, 1994
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zitiert aus: Akzente Salzburg, Das Bootsmodell, nach C. Kahr, Vivid.
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Eva Dreher, Jugend verstehen – eine entwicklungspsychologische Skizze, in: Jugend inside, Nr. 1/2010
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Peter Eberle, Lebenskompetenzförderung in elementaren Bildungseinrichtungen, Masterthesis, Linz, 2017
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Eberle, 2017
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Petermann, Roth, 2006, Suchtprävention im Jugendalter
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Peter Eberle, 2017
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WHO (1997). Life skills education in schools. Geneva, Switzerland: World Health Organization.